Einfache Version einer Arbeitsplattenschablone

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Heike
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Einfache Version einer Arbeitsplattenschablone

Beitragvon Heike » Mo 16. Dez 2019, 21:56

Hallo liebe Holzwürmer!

Im Nachbarforum kam neulich die Frage auf, wie eigentlich eine Arbeitsplattenschablone, also etwa die Festool APS 900, funktioniert. Ein User wollte wohl so eine Schablone nachbauen, bekam das aber eigenen Angaben zufolge nicht zufriedenstellend hin.
Mir fiel dazu eine Lösung ein, die ich dort auch angerissen habe. Letztlich hat es mich dann auch gereizt, auszuprobieren, ob das so funktioniert, wie ich mir das vorstelle. Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Das tut es. Den Baubericht schreibe ich natürlich hier – schließlich bin ich ein Holzwurm und kein Woodworker. Nicht, dass Ihr denkt, ich werde Euch untreu.

Es geht darum, Arbeitsplatten – genauer gesagt: beschichtete Spanplatten mit abgerundeter Kante – L-förmig ungefähr so (hier habe ich sie jetzt etwas auseinandergezogen damit man gut erkennen kann, wie es werden soll) miteinander zu verbinden:
Bild 1.jpg


Wegen der abgerundeten Kante (bei Küchenarbeitsplatten ist normalerweise eine, bei meinen Musterstücken nicht so richtig, aber etwas Besseres habe ich unter meinen Reststücken nicht gefunden) braucht man vorne am Stoß eine Gehrung. Wenn man dann – aus welchen Gründen auch immer, vielleicht, um nicht so viel Verschnitt zu produzieren – die Platten nicht ganz auf Gehrung zusammensetzen, sondern nur vorne auf Gehrung absetzen möchte, hilft einem dabei die Schablone.

Meine Idee bestand darin, eine Schablone mit der gewünschten Ecke als Anschlag – also nicht als ausgesparte Nut - zum Fräsen zu erstellen und die dann bei den beiden Platten mit je einer unterschiedlichen Kopierring-Fräser-Kombination abzufahren, so dass man mit beiden Fräsungen dieselbe Linie erzeugt, aber einmal links an der Linie vorbeifräst und einmal rechts. Die Linie wird dann die Stoßkante der beiden Platten. Ich hoffe, anhand der folgenden Skizze wird das deutlich:
Bild 2.jpg


Damit es auch wirklich passt, muss man natürlich geeignete Kopierring-Fräser-Kombinationen wählen und braucht an der Schablone Kurven, die groß genug sind, so dass die Kopierringe sie auch mit vollem Kontakt abfahren können. Wenn ich zum Beispiel die anstoßende Platte mit einem 14’er Kopierring und einem 8 mm Fräser bearbeite, dann bleibt bei dieser Platte der blau schraffierte Teil stehen; bearbeite ich die aufnehmende Platte mit der Kombination 30/8, dann bleibt bei ihr der rot schraffierte Teil stehen. Die Rundung passt dann perfekt – es sei denn, die Rundung in der Schablone ist zu eng für die Kopierringe. So zum Beispiel wird das nichts:
Bild 3.jpg

Soweit die Theorie, jetzt geht es an die Umsetzung.

Zuerst baue ich die Schablone.
Auf meiner Platte, die mal die Schablone werden soll, befestige ich Anschläge im gewünschten Winkel. Den Anschlag fahre ich mit einem Nutfräser und der auf der Platte liegenden Fräse einfach ab. Ich verwende einen 30 mm Nutfräser. Dann kann ich später beim Einsatz der Schablone 30 mm Kopierringe (oder kleinere) benutzen und brauche mir keine Gedanken zu machen, ob ich womöglich eine zu enge Kurve produziert habe – wo sich jetzt der Fräser einen Weg bahnt, kommt später auch der gleich große Kopierring durch.
Bild 4.jpg


Ich brauche nur den linken Teil, der Rest kommt weg.
Bild 5.jpg


Damit könnte ich jetzt meine beiden Arbeitsplatten bearbeiten. Die Rundung im „Knick“ würde perfekt passen. Aber wie soll ich die Schablone jeweils so auflegen, dass nicht nur die Rundung perfekt passt, sondern auch die Innenecken aufeinanderstoßen und die Kante oben durchläuft? Fertig soll es ja nicht so aussehen wie auf den beiden linken Skizzen, sondern so wie rechts:
Bild 6.jpg


Wer sorgfältig arbeiten kann, schafft es vermutlich, das anzuzeichnen und nach Riss zu arbeiten. Ich würde das nicht schaffen. Ich brauche etwas Narrensicheres.
Deshalb benutze ich meine Schablone als eine Art „Oberschablone“, mit der ich mir zwei Schablonen – für jede Arbeitsplatte eine - zum Bündigfräsen mache.

Die Oberschablone schraube ich mir auf ein großes Brett.
Die Schablone für die anstoßende Platte (ich nenne sie die „blaue Schablone“, weil ich in der Skizze oben auf Bild 2 die anstoßende Platte blau gezeichnet habe) wird rechts neben der Oberschablone entstehen. Damit das fest liegen bleibt, wenn ich an der Oberschablone entlangfräse, schraube ich den rechten Teil des Brettes an der Unterlage fest. Jetzt fräse ich mit der Kombination 14/8.
Bild 7.jpg
Bild 8.jpg


Die Schablone für die aufnehmende Platte (die „rote Schablone“) entsteht unter der Oberschablone. Da ich eben mit 14/8 gefräst habe, brauche ich jetzt die Kombination 30/8. Dafür liegt meine Schablone zu weit rechts. Ich versetze sie ein wenig nach links, fräse, und – schwupps – ist das Gegenstück fertig.
Bild 9.jpg


Mit dem Ergebnis
Bild 10.jpg

bin ich allerdings überhaupt nicht zufrieden. Man sieht den Stoß! Das hatte ich mir anders vorgestellt. Eine Inspektion der Kanten zeigt, dass sie unsauber geschnitten sind.
Bild 11.jpg


Anscheinend war der Fräser nicht mehr richtig scharf. Also noch einmal mit einem scharfen Fräser nachgearbeitet.
Das gefällt mir schon viel besser:
Bild 12.jpg


Jetzt noch unten die Kante begradigen (hier habe ich den Stoß teilweise mit dem Bleistift nachgezeichnet, damit ich erkennen kann, wo ich das Geodreieck anlegen muss),
Bild 13.jpg


und fertig sind die Schablonen zum Bündigfräsen.
Bild 14.jpg


Hier einmal die Längsplatte, also die aufnehmende „rote“, wobei ich grob mit der Stichsäge vorgeschnitten habe, vor dem Fräsen
Bild 15.jpg

und danach
Bild 16.jpg


Und hier die anstoßende Platte, also die „blaue“,
Bild 17.jpg

bei der ich zum Fräsen die Unterseite nach oben gedreht habe, so dass ich die nachher sichtbare Ecke mit dem Fräser anfahre und dort nicht rausfahre, damit es dort keine Ausrisse gibt.

Zusammengesetzt sieht das dann so aus:
Bild 18.jpg
Bild 19.jpg
Bild 20.jpg


Während ich mit meinen Schablonen herumgespielt habe, ist mir auch noch eine andere Möglichkeit eingefallen, die Profi-Schablone durch einen einfachen Eigenbau zu ersetzen. Das möchte ich aber erst einmal ausprobieren.
Kann also sein, dass es noch eine Fortsetzung gibt.

Viele Grüße
Heike
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Zuletzt geändert von Heike am Mo 16. Dez 2019, 22:49, insgesamt 1-mal geändert.

Günter Löffler
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Re: Einfache Version einer Arbeitsplattenschablone

Beitragvon Günter Löffler » Mo 16. Dez 2019, 22:20

Hallo Heike,

ein sehr schöner Beitrag! Danke schön dafür.
Bei uns steht nächstes Jahr die Küchenarbeitsplatte an, da kann ich von Deinen Erfahrungen sicher profitieren.
Eine schöne Fräse hast Du auch.

VG, Günter

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Heike
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Re: Einfache Version einer Arbeitsplattenschablone

Beitragvon Heike » Mo 16. Dez 2019, 23:10

Hallo Günter,

vielen Dank! Es würde mich freuen, wenn mein Beitrag nicht bloß als Glasperlenspiel diente, sondern für jemanden nützlich wäre.

Viele Grüße
Heike

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Re: Einfache Version einer Arbeitsplattenschablone

Beitragvon oldtimer » Mo 16. Dez 2019, 23:48

Hallo Heike,

das ist ein interessanter Beitrag. Ich hatte auch kürzlich das Thema bei woodworker überflogen. Bei mir ist es einige Jahre her, dass ich unsere Arbeitsplatten erneuert und gefräst habe. Somit bin ich aus dieser Thematik auch völlig raus.
Bei Deiner Version scheint der Auslauf deutlich länger zu sein, als vielleicht sonst üblich. Lässt sich aber vielleicht beim Nachbau Deiner Variante noch umsetzen.
Und falls eine Fortsetzung Deines Beitrags kommt, ich lese ihn gerne.

Gruß
Volker

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Klaus
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Re: Einfache Version einer Arbeitsplattenschablone

Beitragvon Klaus » Di 17. Dez 2019, 11:56

Hallo Heike,

den Beitrag bei Woodworker hab ich auch überflogen. Hab zwar keine aktuelle Anwendung, war aber von den ingenieursmässigen Ausführungen dort fasziniert. War also hier noch etwas theoretischen Hintergrund braucht kann das alles beim woodworker nachlesen. Irgendwann werde ich aber sicher eine Arbeits- oder sonstige Platte so zusammen setzen wollen. Dann bin ich für diese Ausführungen schon mal im vorraus sehr dankbar.

Gruss, Klaus

Woswasi
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Re: Einfache Version einer Arbeitsplattenschablone

Beitragvon Woswasi » Di 17. Dez 2019, 12:12

Danke fürs zeigen, eine perfekte Verbindung ist dir da gelungen! Kannst du grob abschätzen wie viele Stunden du da investiert hast? Nur aus reinem Interesse.
LG Gerald

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Heike
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Re: Einfache Version einer Arbeitsplattenschablone

Beitragvon Heike » Di 17. Dez 2019, 13:04

Hallo zusammen,

zunächst einmal herzlichen Dank für Euer Feedback!

@Volker: Über die Proportionen habe ich mir überhaupt keine Gedanken gemacht. Mir ging es nur darum, auszuprobieren, ob das Prinzip funktioniert.

@Gerald: Wie lange ich gebraucht habe, ist schwer zu sagen. Eine Stunde ist bestimmt zu wenig, zwei könnten hinkommen. Wobei es ja nicht nur um das "Machen" geht. Zuerst musste Material zusammengesucht werden - das eine Stück ist zu dick für eine Schablone (zu viel Verlust an Fräserhöhe), das andere zu dünn (der Kopierring stößt unten auf), eins ist noch so groß, dass ich es nicht opfern mag, das nächste zu klein. Den 30 mm Fräser konnte ich nicht gleich finden (meine Ordnung ist alles andere als vorbildlich) und die Arbeitsplattenstücke musste ich erst zusägen. Dann hatte ich das Malheur mit der unsauberen Kante. Danach habe ich erst einmal die Lust verloren und für den Tag Feierabend gemacht. Am nächsten Tag musste ich ja den Schritt mit dem Erstellen der "Bündigfrässchablonen" aus der "Oberschablone" wiederholen. Und dann habe ich die Arbeit noch dauernd unterbrochen, um zu fotografieren. Ach ja, genau, anhand der Daten zu den Fotos kann man das ja recht gut abschätzen. Mal schnell gucken … die erste Fotostrecke (bis zu dem Malheur) dauerte von 20:29 bis 20:53 Uhr. Dann am nächsten Tag eine von 17:43 bis 18:25 Uhr und eine von 19:15 bis 19:43 Uhr. Ich denke, zwei Stunden für alles zusammen mag hinkommen.

Viele Grüße
Heike

Woswasi
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Re: Einfache Version einer Arbeitsplattenschablone

Beitragvon Woswasi » Di 17. Dez 2019, 14:32

Danke fürs nachsehen Heike. Dachte das es mehr Aufwand war, das Ergebnis ist den Aufwand auf jeden Fall wert.
LG Gerald

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Mandalo
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Re: Einfache Version einer Arbeitsplattenschablone

Beitragvon Mandalo » Di 17. Dez 2019, 22:04

Hallo Heike, sowas von Tüftelei aber wie ich dich kenne voll dein Ding! im Moment nicht von mir benötigt aber ein wertvoller Tipp! Ich habe ihn abgespeichert! ;)
Mit nichts ist man großzügiger als mit gutem Rat!
Es grüßt euch Dieter

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derHajo
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Re: Einfache Version einer Arbeitsplattenschablone

Beitragvon derHajo » Do 19. Dez 2019, 17:55

Moin Heike,

eine sehr pfiffige Lösung! Schön so etwas zu lernen.

Gruss

Hajo
Wer einen Fehler macht und ihn nicht korrigiert, begeht einen zweiten. (Konfuzius)


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