Kombi-Winkel

Testberichte, Vorstellung, Besprechung
OliverK

Kombi-Winkel

Beitragvon OliverK » Di 25. Jul 2017, 22:59

Hallo zusammen,

in einem anderen Thema geht es schon um Messmittel von Woodpeckers und allgemein. Ein anderes Thema sind die Kombi-Winkel. Ich habe mich mit dem Kauf eines solchen Winkels sehr lange zurück gehalten, da mir die Konstruktion aufwändig und somit teuer, aber trotzdem ungengau schien.
Jetzt habe ich das gute Stück von Starret in der 30 cm langen satinierten Version seit mehreren Wochen im Einsatz und in dieser Zeit wurde auch heftig gewerkelt.

Meine Eindrücke ganz kurz:
- Unboxing / Haptik:
Hervorragend, alles super verarbeitet. Es macht wirklich Spaß, das Teil in die Hand zu nehmen!

- Ablesbarkeit der Skala:
Die satinierte Version ist recht gut und aus meiner Sicht für Leute über 50 Pflicht. An die Klarheit und Aufgeräumtheit der japanischen Lineale kommt
der Winkel aber nicht heran. Letztlich stört die verschnörkelte Schrift und erschwert die Ablesbarkeit.

- Rechtwinkligkeit:
Ich war immer sehr skeptisch wie genau so ein Universalwinkel konstruktionsbedingt sein kann. Die Umschlagmethode offenbart die Schwäche: die
Linien laufen deutlich auseinander. Mein spezifizierter Schlosser-Anschlagwinkel besteht diesen Test ohne jede erkennbare Abweichung. Wenn ich
beide Winkel aneinander halte, passt an der höchsten Stelle (25 cm hoch) eine Fühlerlehre mit 0,25 mm locker zwischen die Winkel. Mit etwas Kraft
lässt sich auch eine 0,3 mm Fühlerlehre dazwischen bringen. Das ist schon heftig. Für viele Aufgaben in der Holzwerkstatt reicht die Genauigkeit
aus. Für viele aber auch nicht. Also braucht man auf jeden Fall zusätzlich noch einen genauen Winkel in der Werkstatt.

- Verwendung als Streichmaß (zum Anzeichnen):
Angenehm ist das sehr dicke Lineal. Damit zeichnet man sehr gerne an - wenn es richtig herum liegt. Je nach dem, in welcher Werkstück-Ecke man
anzeichnet, muss man den Kombi-Winkel mit der Führungsnut nach unten legen. Diese Nut verursacht dann immer eine Delle in der angezeichneten
Linie, und zwar genau da, wo man die Linie braucht. In dieser Situation funktioniert ein normales Stahllineal mit Anschlag deutlich besser. Ich merke
schon, ich muss morgen mal ein paar Bilder machen, damit man das besser verstehen kann.

- Fazit (würde ich das schöne Ding noch einmal kaufen / empfehlen):
Ein klares "Jein". Das hängt sehr stark von der persönlichen Situation ab. Ich benutze den Kombi-Winkel sehr oft parallel mit meinen anderen
Messmitteln. Ich profitiere von der Zeitersparnis, da ich mehrere Messmittel habe und diese nicht ständig umstellen muss. Und ich kann mir für die
jeweilige Situation das beste Mittel aussuchen. Jede Lösung hat immer Vor- und Nachteile (oder ist unerschwinglich). Also war der Kauf für mich gut.
Wenn ich mich aufgrund eines limitierten Budgets zwischen dem Kombi-Winkel und einem präzisen Schlosserwinkel samt Stahl-Linealen mit
Anschlag entscheiden müsste, dann wäre der Kombi-Winkel ganz klar draußen.

Vielleicht hilft das wieder dem einen oder anderen wenn es um die Frage geht: Ich kann max. 50 € oder 75 € oder 100 € für Messmittel ausgeben, was sollte ich am besten anschaffen?

Viele Grüße
Oliver

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the_black_tie_diyer
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Re: Kombi-Winkel

Beitragvon the_black_tie_diyer » Di 25. Jul 2017, 23:02

Hallo Oliver,

vielen Dank für die ausführliche Vorstellung und die Beleuchtung von Vor- und Nachteilen!

Viele Grüße,
Oliver
Viele Grüße,
Oliver

"... lade ich Sie nun in mein belgisches Lieblings Bistro gleich um die Ecke ein, und ich bin beglückt sagen zu können das sie dort kein L'eau d'orties haben." - David Suchet als Hercule Poirot (S08/E01)

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Re: Kombi-Winkel

Beitragvon Mandalo » Di 25. Jul 2017, 23:06

Interessanter Beitrag, über Fotos würde ich mich freuen.
Mit nichts ist man großzügiger als mit gutem Rat!
Es grüßt euch Dieter

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Re: Kombi-Winkel

Beitragvon Mario » Di 25. Jul 2017, 23:21

Hallo Oliver
Ja, ein interessantes Thema. Das hätte ich so eigentlich von Starrett nicht erwartet, muss ich sagen. Ich habe den kleinen 150er Starrett und der stimmt eigentlich recht genau. Klar, ist auch eine erheblich kleinere Strecke die man verlängert.
Solche Abweichungen bzw. erheblich größer kenne ich nur von meinem 300er Bahco.

Grüße, Mario!

Naagg
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Re: Kombi-Winkel

Beitragvon Naagg » Di 25. Jul 2017, 23:23

Also meine passen ganz genau, kontrolliere die immer mal wieder. Hab nen 30er und nen 15er.

Hatte aber auch schon Blockwinkel nach DIN die gewaltig daneben lagen, frage wäre wodran liegt es? Hat ein nicht ganz so genauer Winkel doch das Werk verlassen oder beim Transport etc. passiert?

Hab das Set von dem 30er das kommt ja in schöner roter Kiste, keine ahnung ob der auch ne Kiste hat wen er einzeln kommt oder nur "normal" eingepackt ist.

Gruß Axel

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Re: Kombi-Winkel

Beitragvon borisffm » Mi 26. Jul 2017, 08:07

Hallo,

ich schreibe hier erstes mal. Bis jetzt habe ich nur gelesen.
Ich habe auch schon seit, denke ich, drei Jahre 30cm Starrett Winkel. ich kann die Abweichung von 90grad nicht feststellen. Ich habe gerade jetzt noch mal Test mit der Linie gemacht. Es ist rechtwinklig so genau, wie ich es sehen kann.Und ich kann noch sehen.:-)
Ansonsten habe ich noch einen Winkel von ECE und Woodpeackers. Alle drei stimmen überein.
Erfahrungen mit nicht rechtwinkligen Winkel habe ich natürlich auch. Das war aber keine Marken-Produkt und hat 6€ gekostet.
Liegt noch irgendwo in der Schublade.


Boris

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Re: Kombi-Winkel

Beitragvon Threedots » Mi 26. Jul 2017, 08:17

Hallo Holzwürmer,

ich habe hier im Nachbarthread bei der Vorstellung des Multiwinkels (viewtopic.php?f=8&t=504) bereits über meine Probleme mit dem 300er Starrett berichtet. Offenbar gibt es bei Starrett vereinzelte Ausreißer mit mehr oder minder starken Toleranzen?
____________
LG

Roland

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Re: Kombi-Winkel

Beitragvon michaelhild » Mi 26. Jul 2017, 10:27

OliverK hat geschrieben:- Rechtwinkligkeit:
Ich war immer sehr skeptisch wie genau so ein Universalwinkel konstruktionsbedingt sein kann. Die Umschlagmethode offenbart die Schwäche: die
Linien laufen deutlich auseinander. Mein spezifizierter Schlosser-Anschlagwinkel besteht diesen Test ohne jede erkennbare Abweichung. Wenn ich
beide Winkel aneinander halte, passt an der höchsten Stelle (25 cm hoch) eine Fühlerlehre mit 0,25 mm locker zwischen die Winkel. Mit etwas Kraft
lässt sich auch eine 0,3 mm Fühlerlehre dazwischen bringen. Das ist schon heftig. Für viele Aufgaben in der Holzwerkstatt reicht die Genauigkeit
aus. Für viele aber auch nicht. Also braucht man auf jeden Fall zusätzlich noch einen genauen Winkel in der Werkstatt.


Dann reklamier das Ding.
Das ist nicht normal. Meine Starret sind absolut genau. Selbst mit einem Haarwinkel ist kein wirklicher Lichtspalt zu sehen.
Bei mir sind Starrets meine Referenz.

Ich habe ja den kleinen 150er, den 300er und ein 600er Lineal. selbst wenn ich die Lineale aufeinander lege ist kein Lichtspalt erkennbar. Da ist alles absolut genau gefertigt.
Grüße
Micha

Was man tut, kann man auch gleich richtig machen.
Mein Holzblog

OliverK

Re: Kombi-Winkel

Beitragvon OliverK » Mi 26. Jul 2017, 21:29

Hallo zusammen,
die Umschlagmethode beantwortet ja ganz gut, welcher der Winkel der genauere ist. Ich habe heute noch einmal mit einen DIN 875/1b Kontrollwinkel nachgemessen. Mit dem gleichen Ergebnis.
SBR_3896.jpg


SBR_3895.jpg


SBR_3897.jpg


SBR_3898.jpg


SBR_3899.jpg


SBR_3902.jpg


Nach einigem Probieren habe ich heute festgestellt, dass alle Ergebnisse positionsabhängig sind und absolut nicht reproduzierbar sind. Bei jeder Position (wie weit man den Winkel ausfährt) erhält man ein deutlich anderes Ergebnis - manchmal auch ein sehr gutes. Fährt man 10 mal die gleiche Position an, bekommt man auch jedes mal ein anderes Ergebnis. Gereinigt habe ich das gute Teil natürlich vorher ordentlich.
Reklamieren werde ich wohl nicht mehr können. Da wird man mir nach mehreren Wochen wohl unterstellen, das gute Stück sei einmal von der Werkbank gefallen.
Wenn es sich hier um ungewöhnliche Toleranzen handelt, wäre das die Aufgabe der Endkontrolle bei Starret gewesen, so etwas heraus zu fischen. Liegt ja extra ein Zettel bei von dem netten Herrn, dessen Aufgabe das war. Vielleicht optimiert Starret die Winkligkeit auf eine bestimmte Stellung und misst diese nach. Logisch wäre für mich dann Vollauszug - da ist meiner besonders schlecht.

Viele Grüße
Oliver
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Fred
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Re: Kombi-Winkel

Beitragvon Fred » Mi 26. Jul 2017, 21:46

Hallo Oliver,

da bleibt dir dann wohl nur noch die Selbstjustage, aber dazu sollte etwas Metallwerkkenntnis vorhanden sein. Habe ich hier mit einem kleinen Bahco gemacht; beherrschbar. Schlüsselfeile und Kontrollwinkel... ganz sachte verwenden.

Die "Delle" wirst du wohl, weil technologisch bedingt, auch nur im Eigenverfahren beseitigen können. Allerdings entfiele dann das Herausziehen an dieser Stelle-..
(Und so könnte man es machen: man nehme guten Entfetter, nutze den und tropfe einen Tropfen Sekundenkleber in das Nutende. Dieses "lösche" man mit Backpulver ab: es ergibt sich ein kleiner Buckel, der auch mehrfach so noch behandelt werden kann, bis die Nut auf 1-2mm gut gefüllt ist. Dann kann man das überstehende feste Gemisch gut schleifen)
Rezept ist übrigens bei allen spaltzufüllenden Anwendungen gut...

Grüße
Fred


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