Wie gefährlich ist Holzschleifstaub in unseren Werkstätten?

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Sebastian
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Wie gefährlich ist Holzschleifstaub in unseren Werkstätten?

Beitragvon Sebastian » Mo 17. Mai 2021, 14:58

Hallo Klaus,
sehr schöne Arbeit von Dir. Deine Herangehensweise an diese Projekte gefällt mir und ich sehe was ich in den nächsten 20 Jahren noch so lernen sollte ;)
Bezüglich deines Bandschleifers und dem Staubbeutel: Hast du dir mal überlegt dafür einen Adapter für den Staubsauger hin zu konstruieren? Ein neuer Staubbeutel, auch aus anderem Material, wird deine Staubproblematik hierbei nur bedingt lösen und der zusätzliche Volumenstrom des Saugers wird bei der Erfassung sehr nützlich sein.

PS: Hartholzstäube verursachen Nasenschleimhautkrebs (Adenokarzinom). Bei Lungenkrebs ist tatsächlich die häufigste Ursache das Rauchen, als Beispiel bei Asbest: Bei langer (beruflicher) Exposition ist das Risiko an Lungenkrebs zu erkranken etwa um den Faktor 5 höher als in der Normalbevölkerung. Rauchen erhöht bei asbestbelasteten Personen das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, zusätzlich um den Faktor 10.

So jetzt schalte ich den BGler wieder aus :ugeek:
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Klaus
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Re: Wie gefährlich ist Holzschleifstaub in unseren Werkstätten?

Beitragvon Klaus » Mo 17. Mai 2021, 17:19

Hallo Sebastian,

vielen Dank für Deine Erläuterungen. Ja, ich hab schon mal versucht, einen Staubsaugeradapter im Netz der Netze zu finden - leider bisher erfolglos. So ein Teil zu konstruieren müsste zwar möglich sein, in dieser Beziehung bin ich aber eher nicht so bewandert und bisher wurde der Bandschleifer so gut wie nicht genutzt. Ich hab mir übrigens auch alles selber beigebracht, kann also nicht so schwer sein. Einfach mal loslegen, das kommt dann schon ...

Der Exkurs zu den Holzstäuben ist auch sehr lesenswert - bin da bisher vor allem bei Eiche und Buche sowie diverser Tropenhölzer als Gefährdung ausgegangen. Ich mach das ja weder 8h am Tag, noch 7 Tage die Woche, trotzdem sind bis auf wenige Ausnahmen (s. oben) alle Geräte abgesaugt. Auch die Kreissäge und die Hobelmaschine hängen an einer grösseren Absaugung, allerdings noch mit Staubsack. Da ist mal die Erweiterung auf eine Filterpatrone geplant. Speziell beim Handschliff und problematischen Hölzern kommt auch schon mal die FFP2 Maske zum Einsatz, die Halbmaske ist mir da bisher doch zu sperrig. Auf meine Zigarren am Wochenende werde ich allerdings auch nach Deinem suptilen Hinweis nicht verzichten :mrgreen:

Wenn Du weitere Tipps hast - immer her damit, bist ja offensichtlich vom Fach :) Schliesslich möchte ich den Spruch in Deiner Fussleiste gerne in die Praxis umsetzen :)

Gruss, Klaus

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Sebastian
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Re: Wie gefährlich ist Holzschleifstaub in unseren Werkstätten?

Beitragvon Sebastian » Di 18. Mai 2021, 10:41

Hallo Klaus,
ja, das Adenokarzinom kommt v.A. von Buchen und Eichenstäuben. Allerdings wird im Regelwerk hier für die Grenzwerte nicht mehr unterschieden und nur noch von Harthölzern gesprochen. Die Liste von Hölzern die krebserzeugend sein können wird nämlich eher länger TRGS 906 (Seite 3).
Klar, wir alle hier betreiben dieses Hobby nicht 8 Stunden täglich, aber einige Eckpunkte für die Auslegung der Werkstatteinrichtung können wir ja aus dem Profibereich übernehmen. So z.B. die Werte mit den Absaugleistungen TRGS 553 "Holzstaub". Zum Thema Handschleifplatz verweist diese Regel leider auf die nicht mehr existente Homepage der Holz BG :roll:.

Daher ziehe ich das Thema mal nach der Arbeitsschutz Systematik auf: Es gilt das STOP Prinzip, also Substitution vor Technischen Maßnahmen, diese vor Organisatorischen Maßnahmen und zum Schluss erst PSA. Zudem ist der Arbeitsschutz immer ein System der stetigen Verbesserung. Das aller wichtigste ist aber, sich Gedanken zu machen und auch wenn eine Maßnahme ggf. weniger bringt als eine Andere, jedoch viel schneller und einfacher Umzusetzten ist, dann ist das weit besser als nix zu tun.
Da kommt uns die klassische Holzbearbeitung sogar entgegen, denn wenn wir die Oberflächen z.B. schon mit einem Hobel sauber hinbekommen, entsteht kaum Holzstaub (Substitution).
Technische Maßnahmen: Wenn wir nun Schleifen müssen sollten wir, wenn möglich, ein Verfahren wählen das weniger Staub entstehen lässt, oder diesen Bindet. Deshalb ist es z.B. bei Stein oder Fliesensägen top, das die Wassergekühlt sind. Das bindet den Staub. Leider ist das bei Holz nicht unbedingt möglich. Daher die Absaugung, wie wir sie von den modernen Maschinen her kennen (hat für den Handwerker übrigens den Vorteil, dass er beim Kunden keine mega Sauerei hinterlässt). Für das Handschleifen gibt es hierfür z.B. abgesaugte Handschleifklötze und abgesaugte Arbeitstische. (s. z.B. in der DGUV Regel 109-606 sowie die DGUV Information 209-044 "Holzstaub" links unten). Ich würde es zusammenfassen als: Wer nur einen Staubsauger hat sollte einen Handschleifklotz benutzen. Wer eine Absauganlage hat, die mit einem viel höherem Volumenstrom arbeitet, der kann sich einen abgesaugten Arbeitstisch zulegen bzw., als nicht gewerblicher Holzwerker, selbst bauen Beispiel.
Natürlich sollte die dahinterstehende Absaugeinrichtung ein gutes Rückhaltevermögen haben. Daher ist dein Ansatz, den Staubfangsack an deiner Absauganlage durch eine Filterpatrone zu ersetzten genau der Richtige.
Als technische Maßnahme mit der geringsten Effektivität sind Luftreiniger anzusehen. Denn dann ist der Staub ja schon in der Luft.
Organisatorische Maßnahmen sind i.d.R. Zugangsbeschränkungen. Hier muss sich jeder selbst die Frage stellen, ob z.B. die Kinder / Enkel unbedingt bei Staubigen arbeiten dabei sein müssen. Zusätzlich kann sich jeder die Überlegung machen, wie Lüfte ich den Staub der in der Luft ist effektiv wieder raus. Das ist bei Kellerwerkstätten sicherlich eine Herausforderung. Am besten funktioniert hier das Stoßlüften im Durchzug. Den kann man auch erzwingen, z.B. in dem man in das offene Fenster eine Platte mit einem Ventilator reinstellt, der die Luft rausbefördert. Durch die Platte kann durch die Fensteröffnung wenig zurückfließen, so dass die Luft z.B. durch die offene Haustür wieder raus kann.
Zum Schluss steht die PSA. Manchmal geht es eben nicht ohne. Wie du selbst schreibst, verwendest du für Handschleifarbeiten eben dann FFP2 Masken. Das ist Top. Hier nur eine Anmerkung, der Staub ist ja aus der Luft nicht raus wenn man aufhört zu Schleifen. Daher ist es hier wichtig, diese erst nach erfolgreichem Lüften oder eben an einem sauberen Ort abzulegen.

Weiterführend kann ich für alle nur die DGUV Regel 109-606 "Branche Tischler- und Schreinerhandwerk" empfehlen sowie, wer sie noch als pdf findet, die zurückgezogene aber ausführlichere DGUV Information 209-031 "Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz Schreinereien/Tischlereien" von der ich noch ein gedrucktes Exemplar habe. Auch die DGUV Information 209-044 "Holzstaub" ist sehr hilfreich.

Das war jetzt eine extrem ausführliche Antwort. Über die Themen Arbeitsschutz könnte ich vermutlich hier meinen eigenen Kanal aufmachen, am besten nach dem Frage-Antwort Prinzip. :lol:
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Re: Wie gefährlich ist Holzschleifstaub in unseren Werkstätten?

Beitragvon Sebastian » Mo 9. Aug 2021, 16:31

Ich habe da ein Interessantes Video gefunden zum Selbstbau eines Absaugtisches.

Absaugtisch

Ist mit einigen interessanten Ideen verbunden. Dieser Tisch ist etwas für alle die eine Absauganlage haben. Einzig bei der Anordnung des Innenlebens bin ich ehrlich gesagt etwas skeptisch. Wenn ich mal einen professionellen Tisch sehe und dessen Luftführung kann ich mehr sagen. Ich schätze auch, die haben bei dem Intro etwas getrickst und Dampf oder Rauch durch die Löcher ausgeblasen und diese Aufnahme rückwärts laufen lassen, zumindest ist so mein Eindruck.

An anderer Stelle hier im Forum wurde ja bereits der absaugbare Handschleifklotz diskutiert, danke an Mario fürs Teilen.
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Re: Wie gefährlich ist Holzschleifstaub in unseren Werkstätten?

Beitragvon Woswasi » Mo 9. Aug 2021, 16:43

Danke für die ausführliche Erläuterung!
LG Gerald

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Re: Wie gefährlich ist Holzschleifstaub in unseren Werkstätten?

Beitragvon Mario » Mo 9. Aug 2021, 22:26

Moin
Ist schon interessant, aber ob das für mich persönlich was ist, weiß ich nicht so genau. Ich glaub schon, dass das so funktioniert, aber ob das so viel besser als nur mit normaler Absaugung ist...???

Grüße Mario

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Re: Wie gefährlich ist Holzschleifstaub in unseren Werkstätten?

Beitragvon Sebastian » Di 10. Aug 2021, 05:32

Prinzipiell ist die Absaugung am Schleifmittel, in diesem Fall der Schleifer oder Handschleifklotz, effizienter als diese Kiste. Als ergänzende Maßnahme bzw. wenn mal nicht direkt abgesaugt werden kann ist der Absaugtisch aber sicher eine Alternative. Speziell wenn Problematische Hölzer wie z.B. Buche, Eiche oder Robinie (deren Splintholz und v.a. die Rinde ist Giftig!) verarbeitet werden.

Zudem ist die Absaugung ja als technische Maßnahme der FFP Maske als PSA wann immer möglich vorzuziehen. Ich erlebe das immer wieder, dass Menschen die Maske in dem Raum in dem sie gestaubt haben, direkt nach der staubigen Arbeit ausziehen. Dummerweise braucht ein alveolengängiges Staubteilchen (PM10) bei keiner Luftbewegung ca. 10 Stunden um 1 Meter nach unten zu fallen. Deshalb ist die Werkstatt auch immer am nächsten Morgen so Staubig. :lol:
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Re: Wie gefährlich ist Holzschleifstaub in unseren Werkstätten?

Beitragvon Sebastian » Do 16. Dez 2021, 09:26

Das Video das Claus hier verlinkt hat, passt Thematisch hier super.
  • Beeindruckend wie viel Staub hier in die Luft gerät.
  • Vorbildlich, der Protagonist trägt eine Atemschutzmaske
  • Bei Minute 8 setzt er die Maske ab, nicht ganz eine Minute nach der staubigen Arbeit. Wozu? Um seiner Assistentin zu sagen, sie soll den Lüfter ausschalten. Wozu?
  • Auch Vorbildlich: Er hat einen Luftsensor, der die Partikel in der Luft zählt. Da stellt er bei 8:20 fest ... "Particles are quiet high". vergleich mit den Grenzwerten in Deutschland:
    • E-Staub (>10 µm) Grenzwert: 10 µg/m³, Messwert: 150 µg/m³
    • A-Staub (<10 µm) Grenzwert: 1,5 µg/m³, Messwerte: 110 und 131 µg/m³
  • Er will dann rausgehen, sich abreinigen (Druckluft? das hab ich nicht richtig verstanden) und sein Gebläse anlassen um die Luft zu reinigen.

Angewandt an das bisherig in diesem Strang ausgearbeitete ein paar Fragen:
  • Warum hat er keine Absaugung unten, wo der ganze Staub rauskommt, angebracht?
  • Warum nimmt er erst die Maske ab um dann festzustellen, "Oh, etwas arg staubig!"?
  • Abblasen, auch im Freien, ist das eine gute Idee? Pressluft ist eine der teuersten Energieformen, man riskiert den Staub nochmal einzuatmen und Pressluft kann sehr böse Verletzungen machen!

Daher: Wo gehobelt wird da Fallen späne, klar. Aber bei dieser Arbeit wäre eine funktional angebrachte Absaugung das A und O. Leider das kommt in einem YT Video nun mal schlechter an als die beeindruckende Staubfontaine und die ganzen anderen tollen Spielzeuge (Luftreiniger mit Sprachsteuerung, Luftmesser).

In diesem Sinne: Gesundes Arbeiten!
VG
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Re: Wie gefährlich ist Holzschleifstaub in unseren Werkstätten?

Beitragvon Mario » Do 16. Dez 2021, 12:02

Moin Sebastian
Mir ist das auch gleich aufgefallen, dass er eigentlich zu schnell die Maske abnahm.
Zum Punkt "Untere Absaugung", weil es etwas schwieriger zu realisieren ist, so in dieser Anordnung sag ich mal abzusaugen. Ich würde aber schon irgendwie was mit Trichter oder so versuchen, gerade bei MDF und der Menge.

Ein anderes Thema wäre noch, auch wenn es hier nicht hinpasst, das Arbeiten mit Handschuhen an und mit Maschinen. Das wäre vielleicht ein Extrathread wert, weil mich manche Aussagen einfach nerven.
http://www.holzwurmtreff.de/viewtopic.php?f=98&t=2815

Grüße Mario

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Re: Wie gefährlich ist Holzschleifstaub in unseren Werkstätten?

Beitragvon Sebastian » Do 16. Dez 2021, 14:55

Hallo Mario,
Mario hat geschrieben:Zum Punkt "Untere Absaugung", weil es etwas schwieriger zu realisieren ist, so in dieser Anordnung sag ich mal abzusaugen. Ich würde aber schon irgendwie was mit Trichter oder so versuchen, gerade bei MDF und der Menge.

100% wird schwierig einzufangen, mit einem Trichter oder auch Grobschmutzdüse an der Richtigen Position zu Arbeiten ist auf jeden Fall besser als erst alles in die Luft zu lassen.

Ich hab das Video mir extra nochmal angeschaut um zu sehen, ob die Absaugung an der Säge etwas bringt. Leider konnte ich dass nicht erkennen, aber speziell in dem Fall hätte man eine unten angebrachte Absaugung nochmals in der Effizienz verbessert, wenn die Aufliegeplatte der Fräse immer das Loch bedecken würde. Ich gebe zu, das ist ein wenig Kleinlich, weil ich die Sequenz ja in Ruhe analysieren kann, aber wenn jemand solche Arbeiten öfter durchführt ist das nochmals eine Verbesserungsmöglichkeit.

VG
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